Ein Ausflug in die elektrotechnischen Grundlagen für Neulinge


Bevor wir damit anfangen, uns Gedanken über den Einbau eines elektrotechnischen Gerätes zu machen, sollten die Grundlagen klar sein, die wir benötigen, um Abschätzungen und Berechnungen durchführen zu können. Wer sich auf diesem Gebiet nicht auskennt, kann hier vielleicht einen Einstieg bekommen.

Eine Warnung vorweg: Jede Arbeit an der Elektrik eines Wohnmobils birgt inhärente Gefahren! Von der Gefahr eines Stromschlages, der bereits bei Spannungen über 60V unter Umständen tödlich verlaufen kann, bis zur Brandgefahr, wenn Kabel sich im Betrieb erhitzen, weil sie falsch dimensioniert waren, es gibt eine ganze Palette denkbarer Gefahren. Im Zweifelsfall ist immer anzuraten, die Arbeiten von Fachleuten durchführen oder wenigstens überprüfen zu lassen.

Diese Einführung ist deshalb nur dazu gedacht, die Vorüberlegungen zu erleichtern, die man vor Einbau eines Wechselrichters anstellen sollte. Es ist keine Bastelanleitung.

Strom, Spannung, Widerstand

Was ist Strom? Das ist hier die Frage. Strom können wir nicht sehen, nicht hören und nicht riechen. Er beruht auf der Wanderung von winzig kleinen (wirklich extrem winzig kleinen) Teilchen, den Elektronen, in einem elektrischen Leiter. Was ist ein elektrischer Leiter? Einfach ein Material, meistens ein Metall wie Kupfer oder Aluminium, in dem sich diese Elektronen einigermaßen ungestört bewegen können. Etwa so, wie das Wasser eines Flusses in einem Flussbett.
Die Grundgröße zur Beschreibung des elektrischen Stromes ist die Stromstärke. In Formeln benutzt man das I für die Stromstärke. Die Maßeinheit ist das Ampere (A), benannt nach dem französischen Physiker André-Marie Ampère (1775-1836). Je mehr Elektronen sich pro Zeiteinheit durch den Leiter bewegen, desto größer ist die Stromstärke, also, wenn wir eine Stromstärke von 2A (2 Ampere) haben, fließen doppelt so viele Elektronen pro Zeiteinheit durch den Leiter, als wenn die Stromstärke 1A wäre. Das ist doch einfach, oder?

Andre Ampère
André-Marie Ampère1

Bleiben wir mal bei unserem Fluss: Die Stromstärke entspricht der Menge des Wassers, die den Fluss entlang fließt. Wie kann diese Menge beeinflusst werden? Zunächst einmal durch zwei Einflussfaktoren, die Breite des Flusses und das Gefälle. Je breiter ein Fluss ist und je größer sein Gefälle ist, desto mehr Wasser fließt (wenn wir der Einfachheit halber mal annehmen, dass immer genügend Wasser nachfließt). Die Breite des Flusses können wir leicht auf einen elektrischen Leiter übertragen: Der Querschnitt eines Leiters oder Kabels entspricht der Flussbreite. Das Gefälle heißt in der Elektrotechnik Spannung. Das Formelzeichen für die Spannung ist das U. Die Maßeinheit, in der wir die Spannung angeben, ist das Volt (V). Es ist leicht zu erkennen, wer der Namenspate für das Volt ist.

Alessandro Volta2

Wir können also sagen: Je größer die Spannung und je dicker das Kabel (der Leiter), desto größer die Stromstärke. Nun haben wir noch die Frage zu beantworten, ob wir damit alle Möglichkeiten zur Beeinflussung der Wassermenge bzw. der Stromstärke erfasst haben. Stellen wir uns noch mal unseren Fluss vor. Es ist leicht einzusehen, dass die Gestalt des Flusses (seine Krümmungen, große Steine, die im Flussbett liegen, Dämme usw.) ebenfalls die Menge an Wasser beeinflussen. Durch einen geraden, zu einem Kanal ausgebauten Fluss schießt viel mehr Wasser hindurch, als durch einen Fluss, der sich durch die Landschaft schlängelt. Man könnte sagen, dass ein mäandrierender Fluss dem Wasser einen größeren Widerstand entgegensetzt, als ein gerader Kanal.

Damit haben wir den nächsten Einflussfaktor: Den Widerstand. In der Elektrotechnik hat der Widerstand das Formelzeichen R und die Maßeinheit ist das Ohm (Ω), das nach dem gleichnamigen netten Herrn benannt ist. Allerdings ist der elektrische Widerstand nicht dadurch bestimmt, ob ein Kabel gerade liegt, oder ob es um eine Ecke gebogen ist (das ist den wirklich extrem winzigen Elektronen schlichtweg egal). Der Widerstand wird vielmehr durch das Material des Kabels gegeben. Ein Kabel aus Aluminium hat beispielsweise einen größeren elektrischen Widerstand als ein gleich dickes und gleich langes Kabel aus Kupfer. Wer es dem Strom also bequem machen möchte, der verwendet Kupferkabel (noch etwas besser wäre reines Silber, aber wer kann das schon bezahlen?).

Georg Simon Ohm
Georg Simon Ohm3

Was heißt das nun?

1. Je größer die Spannung U, desto größer die Stromstärke I.
2. Je größer der Widerstand R, desto kleiner die Stromstärke I.

Zusammengefasst wird das zum Ohmschen Gesetz:
 
   R = U / I 

oder, wenn wir die Stromstärke wissen wollen:

   I = U / R

oder, wenn wir die Spannung wissen wollen:
  
   U = IR

Das Ohmsche Gesetz ist so etwas wie das Grundgesetz der Elektrotechnik.

Leistung

Nachdem wir die Verfassung das Grundgesetz der Elektrotechnik kennengelernt haben, müssen wir uns noch mit dem Begriff Leistung auseinandersetzen. Wir verwenden hierfür das Formelzeichen P und die Einheit Watt (W). Da der Namenspatron für diese Einheit (James Watt) nichts mit Elektrizität am Hut hatte, brauchen wir sein Konterfei hier nicht bewundern.

Was hat es nun mit der Leistung auf sich? Dazu sollten wir den Sinn des Lebens für den elektrischen Strom beleuchten. Warum gibt es den Strom? Natürlich dafür, dass er uns die Nacht erleuchtet, dass er Bohrmaschinen antreibt, dass er Kaffeemaschinen dazu bringt, Kaffee zu kochen und auch, um uns von einem Ort zum anderen zu bringen. Eine tolle Leistung!

Ok, so richtig wissen wir noch nicht, was es nun mit der elektrischen Leistung auf sich hat. Physikalisch gesprochen ist es die Menge an Arbeit, die pro Zeiteinheit verrichtet wird. Jetzt kommt doch wieder Mr. Watt ins Spiel: Seine Dampfmaschine verrichtete eine Menge Arbeit in kurzer Zeit. Sie hatte eine hohe Leistung, zumindest verglichen mit den armen Jungs, die vor der Erfindung der Dampfmaschine Wasser aus Bergwerksschächten pumpen mussten, damit die Kumpel darin nicht ertranken. Also die Arbeit war, eine bestimmte Menge Wasser aus dem Schacht zu pumpen. Die Leistung der Jungs war, diese Arbeit in einer genügend kurzen Zeit zu verrichten. Wären die Pumpenjungen zu langsam gewesen, wäre das Wasser schneller in die Grube nachgeflossen als herausgepumpt wurde. Das hätte den Kumpeln unten nicht gefallen. Die Dampfmaschine war jedoch schneller. Sie brauchte also weniger Zeit für die gleiche Arbeit, ihre Leistung war größer. Andererseits konnte sie größere Gruben entwässern, also mehr Wasser in der gleichen Zeit wie die Jungs brauchten, heraus fördern, weil eben ihre Leistung größer war.

Ohne näher auf die mechanische Leistung einzugehen, soll hier die Formel für die elektrische Leistung diskutiert werden. Wir werden die Erkenntnisse benötigen, um den ominösen Wechselrichter zu verstehen.

Die Formel ist ganz einfach:

P = UI

Wir wissen nun, wie wir sie zu lesen haben: Die Leistung ist das Produkt aus Spannung und Stromstärke. Machen wir uns das mal an einem Beispiel klar.

Eine ganz wichtige elektrische Maschine ist die Kaffeemaschine. Sie soll die Arbeit verrichten, eine bestimmte Menge Wasser zum Kochen zu bringen und damit einen Kaffee zubereiten. Wir wollen natürlich nicht stundenlang auf den Kaffee warten, sondern das soll in ein paar Minuten erledigt sein. Um das zu schaffen, benötigt eine durchschnittliche Kaffeemaschine etwa eine Leistung von 1000 Watt. Wohlgemerkt, Kaffee könnte man auch mit einer Kaffeemaschine zubereiten, die nur 100 Watt Leistung hat, nur würde das dann 10 mal so lange dauern. Wer will schon so eine Kaffeemaschine?

Hängen wir unsere Kaffeemaschine nun an die 230V-Steckdose. Wenn wir wissen wollen, welche Stromstärke bei der Spannung von 230V nötig ist, um die 1000W Leistung zu erbringen, müssen wir die Leistungsformel umstellen:

P = UI  -->  I = P / U
I = 1000W / 230V
I = 4,35A

Warum sollten wir das wissen? Unsere Steckdosen zu Hause sind meist mit einer Sicherung von 16A abgesichert, d. h. wir könnten 16A aus der Steckdose ziehen, ohne dass der Strom ausfällt. Kein Problem: 4,35 Ampere sind viel weniger als 16 Ampere. Wir könnten locker drei Kaffeemaschinen an der Steckdose betreiben.

Wie sieht das nun im Wohnmobil aus, wenn wir keine 230V Stromversorgung haben, weil wir nicht auf einem Campingplatz oder einem Stellplatz stehen. Die einzige Stromquelle ist dann die Aufbaubatterie und die hat etwa eine Spannung von 12V. Wenn wir hier eine Kaffeemaschine mit 1000 Watt anschließen wollen, dann müssen wir die Rechnung noch mal anschauen:

I = P / U
I = 1000W / 12V
I = 83,3A

Wow! 83 Ampere sind eine Menge! Aber die Physik lässt sich nicht austricksen. Unsere 12V-Batterie muss tatsächlich einen so hohen Strom liefern, wenn wir einen Kaffee wollen (tatsächlich muss sie sogar noch etwas mehr liefern, denn der Wechselrichter hat einen Wirkungsgrad von weniger als 100%, ein bisschen Schwund ist immer).

Der Wirkungsgrad zählt auch

Das hat Konsequenzen! Normale Kabel, wie wir sie zu Hause verlegt haben, würden bei einem solchen Strom als Lampenersatz fungieren können. Sie wären eine Auferstehung der Glühlampe, wenn auch nur für kurze Zeit. Wenn wir Glück haben, leuchten sie kurz auf, und ihre Asche fällt zu Boden, wenn wir Pech haben, dann machen die glühenden Drahtstücke aus unserem gesamten Wohnmobil einen Aschehaufen.

Wie wir das Ganze in den Griff bekommen, könnt ihr hier weiterlesen.

Für diejenigen, die sich etwas gründlicher mit der Materie beschäftigen möchten, habe ich freundlicherweise ein Skript zur Verfügung gestellt bekommen. Mein Dank geht an Dr.-Ing. Stefan Schenke von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg:


1 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/André-Marie_Ampère
2 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Alessandro_Volta
3 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Simon_Ohm

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