Wo die Donau versinkt und Gelbe Engel die Rettung sind
Es gibt Tage, an denen man besser nicht aufstehen sollte. Für alle, die es noch nicht wussten, sei es als Warnung formuliert:
Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen!
Ein Mann namens Edward A. Murphy formulierte diesen Spruch (etwas weniger prägnant) bereits vor über 70 Jahren und heute nennt man diese Weisheit Murphys Gesetz. Dass es dieses Gesetz gibt, tröstet immerhin etwas über die folgenden Ereignisse hinweg. Die eigene Dummheit wirkt nicht ganz so abgründig. Das Pech, was sich meist noch zu dumm gelaufenen Aktionen hinzugesellt, wird durch Murphys Gesetz auch etwas abgemildert.
Doch der Reihe nach. Wir fahren von Datthausen, dem wunderbaren Stellplatz unterm Storchennest, nach Geisingen.
Auf dem Stellplatz in Geisingen angekommen, finden wir rasch ein hübsches Plätzchen. Wir laden den Campingkram (Tisch, Stühle) aus der Garage aus und wollen nur noch schnell Frischwasser tanken. Ich schließe die Tür der Heckgarage, es macht Knack, das untere Schloss rastet ein, es macht noch mal Knack, das obere Schloss rastet ein, in meinem Kopf knackt es auch: Der Schlüssel liegt in der Garage!
Die Schlösser für den Wohnmobil-Aufbau haben die tolle Eigenschaft, dass man sie nur mit dem Schlüssel öffnen kann, klar! Zum Schließen braucht man jedoch nur einen Knebel um 180° drehen und den Knebel danach hineindrücken: Knack, das Schloss ist zu. Mir war die Gefahr durchaus bewusst, dass ich niemals, NIEMALS! den Schlüssel hinter eine Klappe legen sollte, wenn sie offen ist. Ich hatte mir in unserer nun einjährigen Erfahrung mit Emma ein Ritual zurechtgelegt: Bevor ich einen Schlossknebel hineindrücke, taste ich nach dem Schlüssel, ziehe ihn aus der Hosentasche und überzeuge mich, dass es auch wirklich der Schlüssel ist. Was auch immer mich davon abgehalten haben mag, dieses Ritual auch diesmal ablaufen zu lassen, es zeigt sich, dass solch ein Ritual eine heikle Sache ist. Eine zusätzliche Absicherung ist unbedingt erforderlich.
Nach der ersten Panik fasse ich den Entschluss, die Heckgarage von innen, durch den Wohnraum zu erreichen. Bei einigen Modellen von Wohnmobilen geht das ganz einfach, nicht so bei Emma. Hier haben die Konstrukteure ganze Arbeit geleistet. Es gibt kein Durchkommen. Da ich noch die Sonnenbrille von der Fahrt auf der Nase habe, denke ich mir, dass die richtige Brille vielleicht doch besser wäre, eventuell könnte ich im Dämmerlicht der Bettkonstruktion noch eine Schraubverbindung übersehen haben. Das Brillenetui ist schnell gefunden, die Brille herausgezogen (nein, diesmal macht nichts Knack), beim Aufsetzen bleibt jedoch einer der beiden Bügel in meiner Hand zurück! Vielleicht hätte jetzt eine HB geholfen, ich fühle mich gerade wie das HB-Männchen, aber ich habe gerade keine HB zur Hand.
Zur Sicherheit rufe ich unseren Wohnmobil-Händler an, vielleicht gibt es ja einen Trick. Die Frau am Telefon zeigt auch vollstes Verständnis und erzählt mir, dass gerade vor ein paar Tagen einem Mitarbeiter das Gleiche passiert ist, sie will mich gleich mal mit dem Herren verbinden, eventuell kennt der den Trick. Der Mitarbeiter gibt mir den Gnadenstoß: Es gibt keinen Trick, die Schlösser müssen aufgebohrt werden. Also gut, ich gebe auf, greife noch mal zum Telefon und rufe den ADAC an.
Als der Mann aus dem gelben Fahrzeug, der sich etwa eineinhalb Stunden später einfindet, die Bohrmaschine anwirft und mit brutaler Gewalt die Schließzylinder aus den beiden Schlössern herausbohrt, kommt es mir vor, als ob Emma ihre erste Zahnbehandlung bekommt. Die Garagentür ist jedenfalls offen, der Schlüssel gefunden und dankbar geben wir dem Gelben Engel etwas in die Kaffeekasse.
Wir sind nach Geisingen gefahren, um ein interessantes Phänomen zu erleben. Die Donau, deren Quelle unweit von hier, in Donaueschingen, liegt, teilt ihr Wasser je nach Füllstand auf: Der bekanntere Teil fließt durch 10 Europäische Länder und endet in Schwarzen Meer. Ein anderer Teil fließt unterirdisch nach Süden in den Aachtopf, Deutschlands wasserreichste Quelle. Von da geht es in den Bodensee und mit dem Rhein in die Nordsee weiter. Damit ist die Donau der einzige Fluss, dessen Wasser in zwei Meere fließt.
Wir wollen die Stelle an der Donau finden, an der das Wasser im Boden versinkt. Deshalb setzen wir uns auf das Fahrrad und radeln nach Immendingen.
Von Immendingen geht es zu Fuß weiter und wir kommen an die Donauversinkung. Auf zahlreichen Tafeln wird beschrieben, dass sich das Verschwinden des Donauwassers im Boden durch gurgelnde Geräusche kundtun würde und die Versinkungsstellen als Strudel zu sehen wären. Was wir sehen und hören ist eher unspektakulär. Kein Gurgeln, kein Strudeln. Doch auch ohne die akustischen und optischen Hinweise finden wir das Naturphänomen interessant und in jedem Fall einen Besuch wert.